Die Kinderrechtsorganisation Save the Children Deutschland e. V. (SCDE) setzt seit 2018 ein Projekt zur kinderrechtsbasierten Leseförderung in der Ganztags- und Hortbetreuung von Grundschulkindern um. Einrichtungen der Ganztagsbetreuung und deren Träger werden durch Beratung und Fördergelder in der Schaffung einer lesefreundlichen Umgebung unterstützt. Zudem wird ein Leseförderprogramm zur außerunterrichtlichen und freizeitpädagogischen Leseförderung vermittelt und durch pädagogisches Personal der Einrichtungen mit Kindern vor Ort umgesetzt.
Gegenstand dieser Angebotsaufforderung ist die formative Evaluation des Projekts in den Schuljahren 2025/26 sowie 2026/27. Das Erkenntnisinteresse von SCDE gilt primär der Frage, wie kinderechtsbasiertes Arbeiten vor Ort gelingen kann und wie sich der Ansatz in der Umsetzung der Aktivitäten vor Ort niederschlägt. Zentral ist dabei besonders die Perspektive der Kinder auf die Projektaktivitäten. Auch den Einfluss der Unterstützungsangebote von SCDE auf die Umsetzungsqualität sowie Anzeichen der nachhaltigen Verankerung vor Ort sind von Interesse. Als optionales Modul wird eine Studie zur Perspektive der Kinder auf das Genre Comic gewünscht.
Das Projekt wurde seit 2018 an über 100 Einrichtungen der Ganztags- und Hortbetreuung in Berlin, Brandenburg, Nordrhein-Westfalen und Sachsen-Anhalt umgesetzt. Aus beiden Phasen liegt eine Projektevaluation vor, auf der aufgebaut werden kann. Im aktuellen Anschlussprojekt 2024–2027 wird es an insgesamt 48 weiteren Bildungseinrichtungen implementiert, wobei der Schwerpunkt hierbei auf der Rhein-Main und Rhein-Neckar-Region liegt. Zudem wurde ein bundesweites Netzwerk aufgebaut, das sich an alle LeseOasen-Standorte seit 2018 richtet und diese bei der nachhaltigen Weiterführung der Projektbestandteile unterstützen will.
Ziel des Projektes ist es, von Bildungsbenachteiligung betroffene Kinder in der Ganztags- und Hortbetreuung von Grundschulen in herausfordernden Sozialräumen in ihrer Lesekompetenz zu stärken. Dabei wird ein ganzheitlicher Begriff von Lesekompetenz nach dem Modell von Rosebrock/Nix zugrunde gelegt. Kindern soll ein positiver Zugang zu Lesekultur geboten und die Entwicklung eines Selbstbildes angeregt werden, das Lesen als Teil der eigenen Identität integriert. Dabei wird ein kinderrechtsbasierter Zugang gewählt, der die Förderung der Lesekompetenz auf Basis der Beteiligungs- und Schutzrechte verfolgt und Elemente von Kinderrechtebildung umfasst.
Pädagogisches Personal der am Projekt beteiligten Einrichtungen wird durch eine von Save the Children gestellte Trainer*in bei der Implementierung direkt vor Ort begleitet. In einem Training-on-the-Job-Ansatz werden Methoden zur Förderung der Lesekompetenz vermittelt, die sich gut im pädagogischen Alltag der außerunterrichtlichen Betreuung umsetzen lassen.
Das Projekt umfasst zwei zentrale Bausteine: die Gestaltung sogenannter lesefreundlicher Räume sowie die Umsetzung des Leseförderprogramms „An die Geschichten, losgelesen.“
Pädagogisches Personal gestaltet gemeinsam mit den Kindern einen Raum zur freizeitorientierten Auseinandersetzung mit Lesen und Schriftsprache. Die Gestaltung der Räume orientiert sich an fünf Merkmalen, die gemeinsam mit der Goethe-Universität Frankfurt am Main entwickelt wurden. Die LeseOasen sind Rückzugsräume für Kinder in der Ganztags- und Hortbetreuung. Es sind Orte zum Verweilen, Schmökern und Eintauchen in Bücher. Eine attraktive und lebensweltorientierte Auswahl an Büchern und anderen Medien bietet Zugänge zur Schriftsprache. Über eine einladende Atmosphäre sowie die Partizipation der Kinder bei der Einrichtung eines solchen Raums wird erreicht, dass Kinder diesen als ihren „Wohlfühlort“ empfinden und ihn freiwillig und gerne aufsuchen.
Ist der Raum gestaltet, führt pädagogisches Personal der Einrichtungen das mehrwöchige Leseförderprogramm „An die Geschichten, losgelesen“ durch. Mit diesem gemeinsam mit der Goethe-Universität entwickelten freizeitpädagogischen Angebot werden jene Kinder gezielt angesprochen, die bisher wenig Interesse an Büchern hatten, und ihnen werden neue Zugänge zum Lesen eröffnet. Durch Methoden, die an der Lebenswirklichkeit der Kinder ansetzen, werden positive und identitätsstärkende Erfolgserlebnisse geschaffen und die Auseinandersetzung mit den eigenen Rechten angeregt.
Es wird erwartet, dass die Evaluation mit qualitativen und quantitativen Methoden die verschiedenen Evaluationsfragen des Auftraggebers untersucht.
Der zentrale Fokus der Evaluation liegt auf dem kinderrechtsbasierten Ansatz des Projektes. Kinderrechtsbasiertes Arbeiten bedeutet, dass sich alle Aktivitäten, ganz gleich welches Thema und Ziel sie haben, in ihrer Planung, Umsetzung und Reflektion an den Schutz-, Beteiligungs- und Bildungsrechten orientieren und zugleich eine Kinderrechtebildung stattfindet. Im Rahmen der Untersuchung soll der Fokus vor allem auf dem zweiten Projektbausein, dem Leseförderprogramm liegen, aber auch Fragen zum lesefreundlichen Raum oder zu Auswirkungen über das Projekt hinaus spielen in der Untersuchung eine Rolle.
Der kinderrechtsbasierte Ansatz soll vor allem unten vier Blickwinkeln untersucht werden:
Verstehen: Wie sehr gelingt es, bei den pädagogischen Mitarbeitenden ein Verständnis für den kinderrechtsbasierten Ansatz des Projektes zu wecken? Was ist dafür förderlich und welche Angebote und Maßnahmen im Rahmen des Projektes in der direkten Begleitung oder auch aus dem Netzwerk haben hierzu wieweit beigetragen? Welches Verständnis haben sie über die Bedeutsamkeit und konkreten Auswirkungen der Kinderrechte für ihre Arbeit?
Anwenden: Wie sehr schlägt sich der kinderechtsbasierte Ansatz in der Umsetzung des Leseförderprogramms nieder? Gelingt es bspw., bei der Ansprache und Zusammensetzung der Kindergruppen dem Anspruch der Nichtdiskriminierung gerecht zu werden und werden geschützte und diskriminierungssensible Räume geschaffen? Wie kann Partizipation über die Eröffnung des Raumes hinaus lebendig gehalten werden? Wie gut gelingt es, thematische Bezüge zu den Kinderrechten aus den Büchern herzustellen? Welche Unterstützungsmaßnahmen von SCDE haben dabei geholfen und was bräuchte es noch? Welche Aspekte der Begleitung sind besonders förderlich für eine gute Umsetzungssicherheit und -qualität?
Transfer: Wie sehr strahlt der kinderrechtsbasierte Ansatz auch auf andere Angebote im Ganztag/Hort ab? Werden die Kinderrechte als Basis für pädagogisches Arbeiten über das Projekt hinaus an den Einrichtungen „besser“ verankert? Welche konkreten Maßnahmen wurden ergriffen, um die lesefreundlichen Räume und das Leseförderprogramm im pädagogischen Angebot der Einrichtungen bzw. des Trägers zu verankern und wie wird hierbei sichergestellt, dass der kinderrechtsbasierte Ansatz bewahrt bleibt? Wie können wir solche Maßnahmen unterstützen/stimulieren?
Rezeption: Wie nehmen die Kinder das kinderrechtsbasierte Arbeiten der pädagogischen Mitarbeitenden wahr? Werden Kinderrechte im Rahmen der LeseOasen bzw. des Leseförderprogramms für sie sichtbar und erfahrbar gemacht?
Über die oben genannten Fragen hinaus interessiert die Auftraggeberin vor allem die Perspektive der Kinder auf das Projekt und seine Bausteine, wobei auch hier das Leseförderprogramm im Fokus stehen soll. Der Wunsch ist, dass Kinder unmittelbar während bzw. nach den Erfahrungen in der Umsetzung des Leseförderprogramms sowie mit einigem zeitlichen Abstand dazu befragt werden.
» Welche Perspektive haben Kinder auf das Projekt? Welche Aspekte vor alle des Leserförderprogramms schätzen sie besonders? Welche sehen sie kritisch?
» Welche Wirkung beobachten die Kinder selbst? Erleben sie eine Veränderung? Wie blicken Kinder auf die Bücher im Projekt und lesen sie weitere Bände der Reihen?
» Was wünschen sich die Kinder über das Projekt hinaus für ihren Ganztag/Hort? Was brauchen sie, damit sie diesen als einen geschützten und partizipativen Ort erleben?
Hierbei sind vor allem Perspektiven von Kindern aus marginalisierten Gruppen von Interesse. Neben qualitativen Erhebungen mit Kindergruppen vor Ort sind quantitative Fragebogenerhebungen gewünscht. Hier gibt es Vorerfahrungen aus vorangegangenen Erhebungen.
Teilstudie zu Comics
Gewünscht ist ferner eine Teilstudie zur Perspektive der Kinder auf das Genre Comic. Hier soll neben der Bedeutung von Comics zum Etablieren einer stabilen Lesepraxis vor allem deren Lebensweltbezug untersucht werden. Diese Teilstudie soll konsequent in kindlicher Perspektive verbleiben und Kinder zu Wort kommen lassen. Die Datenerhebung für diese Teilstudie kann idealerweise in Kombination mit anderen Erhebungen stattfinden, so dass hierfür nicht zwingend separate Erhebungsinstrumente notwendig sind. Gewünscht ist jedoch eine gesonderte Auswertung zu diesen Aspekten.
Von der externen Evaluation wird erwartet, das Erkenntnisinteresse zu operationalisieren und in Abstimmung mit der Auftraggeberin eine geeignete Methodik auszuwählen. Im Rahmen dessen ist neben einer Auftragsklärung ein gemeinsamer Workshop zur Planung der Erhebungsmethoden hinsichtlich des Erkenntnisinteresses der Auftraggeberin erwartet. Dieser Workshop soll zeitnah nach Auftragserteilung im September oder Oktober 2025 erfolgen und durch die Auftragnehmer*in vorbereitet und durchgeführt werden.
Bestandteil des Auftrages sind die Datenerhebung sowie die anschließende Analyse der erhobenen Daten. Gewünscht wird, dass dabei verschiedenartige quantitative wie qualitative Datenerhebungsmethoden zur Anwendung kommen. Neben den pädagogischen Fach- und Leitungskräften an den Einrichtungen sowie Entscheider*innen und anderen in die Umsetzung involvierten Personen bei den Trägern sollen auch Kinder mit kindgerechten Evaluationsmethoden an den Einrichtungen befragt werden. Dabei ist explizit gewünscht, die am Projekt beteiligten Kinder über qualitative Methoden wie Fokusgruppeninterviews ebenso wie über quantitative Erhebungen mittels eines Fragebogens anzusprechen. Die Kinder sollten unmittelbar während bzw. nach den Umsetzungserfahrungen sowie mit einigem zeitlichen Abstand befragt werden. Im Sinne der Rechenschaftspflicht ist gewünscht, die Beobachtungen aus den Erhebungen in angemessener und barrierearmer Weise an die beteiligten Personen zurückzuspielen.
Die Ergebnisse der Evaluation dienen der weiteren Überprüfung und Weiterentwicklung des Projektansatzes für eine mögliche Weiterführung über den Sommer 2027 hinaus. Daher wird von der Evaluation die Ableitung von Empfehlungen für die Weiterführung, Anpassung und Verbesserung der Projektmaßnahmen bzw. Empfehlung zusätzlicher oder alternativer Maßnahmen erwartet. Zugleich sollen die Erkenntnisse aufbereitet werden, damit SCDE und andere beteiligte Akteure sie in den Fachdiskurs zu kinderrechtsbasierter Leseförderung in Ganztag und Hort einspeisen können.
Die Berichtslegung an SCDE folgt an diesen beiden Zielen orientiert in zwei Schritten. Erste Erkenntnisse und Beobachtungen zur Weiterentwicklung des Projektkonzepts werden zum 30. Juni 2026 erwartet. Die gesammelten Erkenntnisse sind der Auftraggeberin bis zum 31. Mai 2027 vorzulegen. Es wird jeweils für beide Berichtstermine eine Präsentation der Erkenntnisse durch die Evaluator*innen sowie eine schriftliche Ausarbeitung in Form eines Textdokuments und/oder einer Präsentation erwartet. Dabei ist eine einseitige Zusammenfassung zentraler Ergebnisse und Befunde gewünscht. Es wird ferner erwartet, dass bis 31. Mai 2027 ein rund 15-20 Tausend Zeichen umfassender Kurzbericht vorliegt, der durch SCDE veröffentlicht wird. Eine gemeinsame öffentliche Präsentation der Evaluationsergebnisse voraussichtlich in einem digitalen Termin für die Fachöffentlichkeit und Presse im zweiten Quartal 2027 ist ebenfalls vorgesehen. Ferner ist eine laufende Rückmeldung der Erkenntnisse und Beobachtungen aus der Evaluation an die Auftraggeberin sowie eine enge Abstimmung gewünscht.
Es wird ein Angebot im Umfang von maximal 15 Seiten mit Auskunft zu folgenden Punkten erwartet:
» Angaben zur geplanten Methodik sowie zu Form und Umfang der Datenerhebung, zum Vorgehen in der Auswahl einer Stichprobe sowie zur Form der Präsentation der Ergebnisse; ein besonderer Fokus liegt hierbei auf Vorschlägen für kindgerechte und partizipative Erhebungsmethoden
» Zeit-, Maßnahmen- und Meilensteinplan mit Vorschlägen zu möglichen Zeiträumen zur Datenerhebung sowie zur Abstimmung mit der Auftraggeberin
» detaillierte Preiskalkulation, aus der die einzelnen terminierten Teilleistungen zur Erbringung der Gesamtleistung sowie die optionale Teilstudie Perspektive der Kinder auf das Genre Comic ersichtlich sind, inklusive Angaben zu durch die Auftragnehmer*in gewünschte Teilzahlungen
» sowie Referenzen über ähnliche Leistungen mit besonderem Fokus auf Vorerfahrungen in den Themenfeldern Leseförderung, Ganztag und Hort sowie Kinderrechte bzw. ein anderweitiger Nachweis, aus dem die Eignung von Bieter*innen zur Erfüllung der Anforderungen der Ausschreibung hervorgeht.
Ferner wird die Einräumung des räumlich, zeitlich und inhaltlich unbeschränkten ausschließlichen Nutzungsrechts an den im Rahmen des Auftrages erbrachten Ergebnisse erwartet. Untervergaben sind prinzipiell zulässig, bedürfen aber der schriftlichen Zustimmung durch die Auftraggeberin.
Der Schutz von Kindern ist für Save the Children eine zentrale Aufgabe. Dies beinhaltet, dass wir alles unternehmen, um Kinder innerhalb unserer eigenen Organisation vor Gefahren zu schützen. Deshalb setzen wir die Bereitschaft, nach den Child Safeguarding Standards von Save the Children zu arbeiten, voraus und benötigen ein erweitertes Führungszeugnis der mit dem Auftrag betrauten Personen.
Wir möchten mit unserer Arbeit besonders vulnerable Kinder erreichen, zu denen von Rassismus und anderen Diskriminierungsformen Betroffene gehören. Wir wollen dabei das Thema Rassismus explizit in den Blick nehmen, weil es eng mit den Strukturen verbunden ist, in denen wir arbeiten. Wir erwarten von der Auftragnehmer*in eine aktive Auseinandersetzung mit Diversity, Equity & Inclusion (DEI) und ein diskriminierungssensibles Vorgehen. Wie wir DEI aktuell in den unterschiedlichen Handlungsebenen umsetzen, können Sie in unserem Haltungsdokument nachlesen.
Es steht ein Budget von bis zu 48.000, - Euro (inkl. MwSt., Reise- und Sachkosten) zur Erbringung der Leistung zur Verfügung. Es wird gewünscht, dass Bieter*innen die angebotenen Leistungen entsprechend dieser Budgetvorgabe kalkulieren. Wir freuen uns auf Ihr Angebot per E-Mail an johannes.freund@savethechildren.de bis zum 29. Juli 2025. Angebotsklärungsgespräche sind für den 14. und 15. August 2025 vorgesehen.
Bei Rückfragen stehen zur Verfügung:
Johannes Freund unter 030/27 59 59 79-610 oder johannes.freund@savethechildren.de sowie Kathrin Streng unter 030/27 59 59 79-807 oder kathrin.streng@savethechildren.de